Eisbären

Spitzbergen ist ein beliebtes Revier von Eisbären – und die Zahlen scheinen zuzunehmen.

SHANEY HUDSON

Ein alter Spruch besagt, dass es auf Spitzbergen mehr Eisbären als Menschen gibt. Wissenschaftlich betrachtet ist die Realität der Eisbärenpopulation in der norwegischen Arktis jedoch etwas komplexer.

„Ein Großteil unserer Forschungsarbeit verfolgt das Ziel, herauszufinden, wie viele Veränderungen die Eisbären tatsächlich tolerieren können.“

— Dr Jon Aars

2015 veröffentlichten Dr. Jon Aars und seine Kollegen vom Norwegischen Polarinstitut ihre Forschungsstudie zur aktuellen Eisbärenpopulation auf Spitzbergen. Sie schlug ein wie eine Bombe. Nach Jahren voller schlechter Nachrichten bezogen auf den Rückgang des Meereises und den Klimawandel schien es nun endlich ein paar gute Neuigkeiten aus der Arktis zu geben: Die Zahl der Eisbären auf Spitzbergen nahm zu. „2015 fanden wir heraus, dass es der Population noch recht gut ging. Und wir glauben, dass sich seitdem nicht sehr viel verändert hat“, sagt Dr. Jon Aars, der Daten aus den Jahren 2004 und 2015 verglichen hatte, um zu zeigen, dass die norwegische Eisbärenpopulation auf Spitzbergen tatsächlich zugenommen hatte.

Die Tatsache, dass es den Eisbären gut zu gehen schien, wurde weltweit gefeiert, während sich die Wissenschaftler immer mehr Sorgen um den Klimawandel in der Arktis machten. Die Schlagzeilen bilden aber nur einen kleinen Teil der komplexen Geschichte des grössten an Land lebenden Raubtiers der Welt ab. „Wir können natürlich nicht wissen, ob vielleicht alles umschlägt, wenn sich die Bedingungen weiter verschlechtern und eine gewisse Grenze überschritten wird – zum Beispiel wenn das Meereis noch stärker zurückgeht. Man geht davon aus, dass die Eisbären in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer mehr von ihrem Lebensraum verlieren werden“, sagt Dr. Aars. „Ein Grossteil unserer Forschungsarbeit verfolgt das Ziel, herauszufinden, wie viele Veränderungen die Eisbären tatsächlich tolerieren können.“ Und bisher haben die Tiere schon eine ganze Menge ausgehalten. Bis 1973 wurden Eisbären in der norwegischen Arktis noch gejagt und die Population hat sich seitdem nur mühsam wieder erholen. Der Eisbär wurde von der Weltnaturschutzunion (International Union for the Conservation of Nature, kurz: IUCN) auf die Liste der bedrohten Tierarten gesetzt. Man geht derzeit von 22.000 bis 31.000 Tieren weltweit aus.

Die Bedrohung durch Jäger wurde für die Population in der Barentssee zwar geringer, an ihre Stelle traten aber die sich verändernden Meereisbedingungen, als der Klimawandel den Lebensraum des Eisbären auf der ganzen Welt unwiderruflich veränderte. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Eisbären von Spitzbergen machen sich folgendermassen bemerkbar: Das Meer friert später zu und beginnt früher wieder zu tauen. Ausserdem ist das Meereis dünner, weshalb es für Robben – die Hauptbeute des Eisbären – schwieriger wird, sich auf dem Eis aufzuhalten. Die Ausläufer des Meereises, auf dem Eisbären jagen, befinden sich nun außerdem häufig ein paar Grad weiter nördlich als zuvor, sodass die Tiere entweder gezwungen sind, längere Strecken auf dem Eis zurückzulegen oder durch das offene Meer zu schwimmen. Für trächtige Weibchen kann es dadurch auch schwieriger werden, ihre Höhlen auf Spitzbergen aufzusuchen. Die Eisbärenpopulation von Spitzbergen wird auf 3.500 Tiere geschätzt, während der Rest der Population die Ausläufer des Meereises der Barentssee durchstreift, das Teile von Norwegen und Russland bedeckt.

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass einige Eisbären durch das schmelzende Meereis weiter nach Norden wandern. Die Eisbären, die auf Spitzbergen bleiben, passen ihre Nahrung an. Sie plündern Vogelnester oder fressen Rentiere neben den Robbenbabys, die ihre Hauptjagdbeute im Frühling darstellen.

„Der Lebensraum der Eisbären schwindet, das Meereis ist deutlich zurück gegangen“, sagt Dr. Aars. “Trotzdem ist es denn Eisbären zurzeit immer noch möglich zu überleben und sich fortzupflanzen. Die Frage ist nur, wie lange noch.“

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Monica Votvik, Teammitglied von Hurtigruten Expeditions, hat im Verlauf der Jahreszeiten beobachtet, wie das Meereis das Verhalten von Eisbären in ihrem natürlichen Lebensraum beeinflusst. „Wenn viel Eis vorhanden ist, sehen wir weniger Eisbären, da sie dann mehr Raum zur Verfügung haben“, erklärt Monica. „Wenn weiter draussen weniger Eis vorhanden ist, beobachten wir mehr Eisbären.“ Monica, die seit 15 Jahren auf Spitzbergen lebt, ist der Ansicht, dass es nicht nur die Bären sind, die sich anpassen müssen. Auch die Einstellung der Menschen gegenüber den Eisbären verändert sich. Kürzlich wurden mehrere Fjorde für den Verkehr geschlossen, damit Eisbären und Robben nicht von Menschen gestört werden.

Monica findet, man sollte Eisbären für ihre Neugier und Zähigkeit respektieren – und für ihre Fähigkeit, trotz aller Widrigkeiten zu überleben. Was die realen und besorgniserregenden Herausforderungen angeht, mit denen die Population konfrontiert ist, so weist Dr. Aars darauf hin, nicht zu vergessen, dass Eisbären sehr widerstandsfähige Tiere sind. „Die Leute denken immer, dass die Arktis eine extrem unwirtliche Region ist, aber die Tiere sind ja daran gewöhnt“, sagt Dr. Aars. „Sie können sich extrem gut an die Verhältnisse anpassen.“

Penguins perched on the ice of Cuverville Island, Antarctica. Credit: Espen Mills / HX Hurtigruten Expeditions

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