Den Kreislauf Unterbrechen
Ximena Córdova hat eine Mission – der Tierwelt auf den Galapagos-Inseln zu helfen und die Einwohner weiterzubilden.
NEIL MCQUILLIAN
Die Galapagos-Inseln sind ein geheimnisvolles, faszinierendes Reiseziel und ein Ort, der einem selbst heute noch unwirklich erscheint. Der Humboldtstrom hüllt die Galapagos-Inseln häufig in Nebel, und so erzählten die frühen Seefahrer Schauergeschichten von verhexten Inseln, die aus dem Nichts auftauchten und wieder verschwanden. Sie sprachen von den Islas Encantadas.
Aber es gibt die Galapagos-Inseln wirklich – ein Archipel, der einem wie eine vergessene Welt erscheint. Es ist nicht nur möglich, die Inseln zu besuchen, es leben sogar 25.000 Menschen dort. Und einer von diesen Menschen ist Ximena Córdova. „Die unglaubliche Wasserfarbe ist das erste, was ich sehe, wenn ich morgens wach werde“, sagt Ximena, eine Naturforscherin, die in den Bergen des Festlands von Ecuador aufgewachsen ist, aber vor mehr als zwei Jahrzehnten auf die Galapagos-Inseln zog. „Ich sehe direkt hinter meinem Haus Tiere wie Galapagos-Meerechsen, die ein Sonnenbad nehmen. Manchmal kann ich Haie und Rochen sehen oder Seelöwen, die miteinander spielen und Fische jagen. Wenn ich Glück habe, kann ich von meinem Frühstückstisch aus Pinguine beobachten.“
Meerechsen sind die einzige Echsenart, die sich auch im Meer aufhält, und bei den hiesigen Pinguinen handelt es sich um die einzige Spezies nördlich vom Äquator. Oh, und die Seelöwen tauchen tiefer als jede andere Seelöwenart. Ximena hat wirklich und wahrhaftig einige der erstaunlichsten Tiere der Welt als Nachbarn. Der erste Besucher der Galapagos-Inseln, von dem man weiß, war Tomás de Berlanga, der Bischof von Panama, der hier 1535 auf dem Weg nach Peru strandete. Er berichtete von Lebewesen, die „so dumm sind, dass sie nicht wissen, wie man flüchtet“. Die Tiere auf den Galapagos-Inseln haben sich ohne Angst vor Menschen entwickelt, denn es gab hier keine. Wenn Ximena wollte, könnte sie den Seelöwen die Flosse schütteln oder einem Leguan das Salz aus dem Gesicht wischen.
Aber das möchte Ximena gar nicht. Sie hat den Großteil ihres Lebens auf den Galapagos-Inseln als Naturführerin verbracht und widmet mit sich mit voller Leidenschaft dem Schutz und der Erhaltung der Inseln.
„Ich bin zu 100 % Ecuadorianerin. Ich bin in den Anden aufgewachsen, habe aber immer sehr viel Zeit am Strand verbracht und mich schon in jungen Jahren in das Meer verliebt“, erzählt sie. „1998 wurde mir angeboten, als Grafikdesignerin auf der Charles Darwin Forschungsstation zu arbeiten, da habe ich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.“
1998 war jedoch kein gutes Jahr für die Galapagos-Inseln. Ein großes El-Niño-Ereignis hatte katastrophale Auswirkungen auf das Meer und seine Bewohner.
„Viele Meereslebewesen starben. Es war so schwer, mit anzusehen, wie die Tiere verhungerten“, erzählt Ximena. „Zu dem Zeitpunkt habe ich nicht gewusst, dass es sich um ein natürliches Ereignis handelte und ich hielt meine Entscheidung, hierher zu kommen für einen schwerwiegenden Fehler. Aber ich musste bleiben, denn ich hatte ja schließlich einen Vertrag unterschrieben, und als das Jahr vorüber war, hatte ich mich in diesen Ort verliebt.“
Ximena traf die Entscheidung, die Galapagos-Inseln zu ihrer dauerhaften Heimat zu machen und gab ihre gesamten Ersparnisse dafür aus. Sie kaufte ein Haus auf Isabela, direkt an einem weißen Sandstrand. Hier begann ihre Liebe zu den Tieren zu wachsen.
Das Leben auf den Galapagos-Inseln hat sich seit 1998 allerdings stark verändert, erklärt sie. „Als ich damals hier ankam bestanden die Straßen aus Sand. Jeder bewegte sich mit dem Fahrrad fort und es gab kaum Autos. Frachtschiffe kamen einmal im Monat.“
Als Ximena ihren Job als Grafikdesignerin aufgab und Naturführerin wurde, lernte sie immer mehr über die Gefahr durch invasive Arten. „Sie stellen die Hauptbedrohung für das intakte Ökosystem der Galapagos-Inseln dar“, erklärt sie.
Von Ratten, die an Bord der Schiffe hierher kamen, bis zu absichtlich angepflanzten Brombeeren hat in den Jahrhunderten nachdem der Bischof von Panama hier gestrandet war Vieles großen Schaden angerichtet.
Von den neu eingetroffenen Arten, so Ximena, ist der Mensch aber mit Abstand diejenige, die den größten Schaden anrichtet. Einige respektieren das empfindliche Gleichgewicht der Inseln einfach nicht, sagt sie. Sie empfindet das als wirklich schlimm und hat sogar mit eigenen Augen gesehen, dass manche Einheimische die berühmten Galapagos-Riesenschildkröten essen.
Deshalb hat Ximena die Emma Darwin Foundation (EDF) gegründet, die zwei wichtige Missionen verfolgt. Die erste ist eine bessere Bildung für die Galápagueños.
„Das Überleben der Inseln liegt in der Hand der Menschen, die derzeit hier leben“, erklärt sie. „Bildung ist das einzige, das etwas bewirken kann.“
Die EDF ist nach der Ehefrau von Charles Darwin benannt. „Dank ihr sind die Arbeiten von Charles in aller Welt bekannt“, sagt Ximena. „Sie hat ihre Sprachkenntnisse genutzt, um die Forschungsarbeiten zur Evolutionstheorie zu übersetzen und in Europa bekannt zu machen. Sie spielt also eine wichtige Rolle in der Wissenschaft, aber bisher wurde darüber noch nie gesprochen.“
„Alles auf den Galapagos-Inseln ist nach Charles benannt, seine Frau wird nirgendwo auch nur erwähnt. Deshalb habe ich beschlossen, sie entsprechend zu würdigen.“
Die längst überfällige Anerkennung einer Frau, die einfach übersehen wurde, steht in Einklang mit der zweiten Hauptmission der EDF: Gleichberechtigung und der Kampf gegen häusliche Gewalt.
Die spektakuläre isolierte Lage 1.000 Kilometer vom Festland Ecuadors entfernt hat auf den Galapagos-Inseln die Entstehung erstaunlicher Naturwunder ermöglicht, war aber für die menschliche Bevölkerung nicht nur von Vorteil. „Das Justizwesen hat es noch nicht bis hierher geschafft“, erklärt Ximena. „Der Machismo ist ein grosses Problem. Es ist für Männer normal, zwei oder drei Frauen zu haben. Das Leben kann hier für Frauen sehr hart sein.“ Aus diesem Grund hat Ximena ihre Tochter nach Kalifornien geschickt. „Sie ist mit neun Jahren nach Kalifornien gegangen und ist jetzt 20. Sie ist ohne ihre Mutter aufgewachsen“, erzählt Ximena. „Ich drücke die Daumen, dass sie Sozialwissenschaft studiert und die Arbeit der Emma Darwin Foundation fortsetzt, wenn ich nicht mehr da bin.“